Reagieren statt abwarten

Tag gegen den Schlaganfall:
Symptome ernst nehmen und (das eigene) Leben retten

 

PD Dr. Andreas Wellmer, Chefarzt der Klinik für Neurologie

 

Am 10. Mai ist der bundesweite Tag gegen den Schlaganfall. Um das Leben von Patienten zu retten, zählt im Ernstfall jede Sekunde. Ein Schlaganfall ist ein absoluter Notfall. Jährlich trifft er in Deutschland rund 270.000 Menschen – der Schlaganfall. Schon nach Minuten sterben unwiderruflich Nervenzellen ab.

Petra ist 42 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder im Schulalter. Sie führt eigentlich ein normales Leben. Die Arbeit als Altenpflegerin macht ihr Freude, trotz all der Schwierigkeiten mit Schichtdienst, Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der geringen Anerkennung dieser Tätigkeit in der Gesellschaft. Die positiven Rückmeldungen ihrer PatientInnen sind für sie aber ein wichtiger Motivator. Neben ihrer Arbeit kümmert sie sich um ihre an Demenz erkrankte Oma, die im selben Ort wohnt. Petra hat bereits im Jugendalter ab und an eine Zigarette geraucht. Um den alltäglichen Stress zu bewältigen, greift sie seit ein paar Jahren aber häufiger zur Zigarette. Obwohl sie als Jugendliche Fußball gespielt hat, bleibt ihr nun kaum Zeit für Sport. Sie hat etwas an Gewicht zugenommen. Beim letzten Arztbesuch war der Blutdruck etwas erhöht. Das führt sie auf den Stress zurück. Eines Tages wacht sie plötzlich auf und kann ihre rechte Körperhälfte nicht mehr richtig koordinieren. Die Symptome bilden sich aber rasch zurück und alles ist wieder OK. Sie hat als erfahrene Altenpflegerin eine Ahnung, dass es sich um eine Durchblutungsstörung des Gehirns gehandelt haben könnte, und dass sie jetzt einen Arzt aufsuchen sollte. Der Tag ist aber schon durchgeplant: der Sohn soll zu einem Freund gefahren werden, wenn sie die Spätschicht nicht antritt, muss eine Kollegin aus dem Urlaub zurückgeholt werden. Das möchte sie nicht und geht deshalb nicht zum Arzt. Zwei Tage später wacht sie dann auf und kann die rechte Körperhälfte nicht mehr bewegen. Diesmal verbessern sich die Symptome nicht. Ihr Mann ruft den Rettungsdienst, der sie ins Krankenhaus bringt. 

„So klingen nicht selten die Geschichten, die wir hören, wenn jemand mit dem Verdacht auf einen Schlaganfall in die Notaufnahme gebracht wird. Erleiden Betroffene einen Schlaganfall wird infolge einer Durchblutungsstörung oder einer Blutung ihr Gehirn nicht mehr mit ausßreichend Sauerstoff versorgt, dies hat zur Folge, dass bereits nach wenigen Minuten Nervenzellen absterben, die sich im Anschluss nicht mehr regenerieren. In diesem Fall beginnt für uns und vor allem für den Betroffenen ein Wettlauf gegen die Zeit“, berichtet PD Dr. Andreas Wellmer, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Ludmillenstift Meppen, „Je früher wir einen Schlaganfall-Patienten medizinisch versorgen, desto eher können wir dauerhafte Schäden vermeiden.“

In der Notfallsituation ist das wichtigste Ziel einer Schlaganfall-Therapie, die Durchblutung im Hirn durch die Öffnung der verschlossenen Arterie wiederherzustellen. In einigen Fällen kann ein Medikament verabreicht werden, welches das Gefäß öffnet. Die entsprechende Behandlung nennt sich Lyse-Therapie. Unter bestimmten Voraussetzungen wird im Ludmillenstift Meppen auch das moderne Verfahren der sogenannten Thrombektomie angewandt, im Zuge dessen Gerinnsel, die das Gefäß verschließen, mit einem Katheter entfernt werden. Dieser Eingriff erfolgt meist unter Narkose. Durch die in den letzten Jahren deutlich verbesserte Technik dieser endovaskulären Gefäßeröffnung bei Patienten mit schweren, akuten Schlaganfällen ist es heute möglich, Blutgerinnsel oft vollständig aus dem Hirngefäß zu entfernen, was dann zu einer dramatischen Besserung der Symptome führt. Die Notfall-Thrombektomie wird im Ludmillenstift rund um die Uhr gewährleistet, sodass Patienten auch in der Nacht, an Wochenenden und an Feiertagen unverzüglich behandelt werden können.

„Zur weiteren Therapie werden die Betroffenen dann auf unsere Schlaganfalleinheit (englisch: Stroke Unit) aufgenommen. Die überregional zertifizierte Stroke Unit, angeschlossen an die Neurologie des Ludmillenstift Meppen, bietet dank hochmoderner Diagnostik, jahrelanger Expertise und der Erfahrung eines hochqualifizierten interdisziplinären Ärzteteams die besten Voraussetzungen, um Schlaganfall-Patienten schnell und bestmöglich zu versorgen. Je nach Schwere des Schlaganfalls werden die Betroffenen auf der Spezial-Station individuell behandelt und therapeutisch betreut. Ein interdisziplinäres Team kümmert sich um die notwendige Versorgung eines jeden Patienten und begleitet diesen bei der Akuttherapie, der individuellen medizinischen Rehabilitation sowie bei der Planung anschließender Therapie- und Betreuungsmaßnahmen.“ erläutert Dr. Wellmer den Behandlungsablauf.

Petra hat Glück! Der Hirninfarkt ist noch klein, aber 2/3 der linken Hirnhälfte erhalten keine ausreichende Blutversorgung und können somit noch zugrunde gehen. Auf Grundlage eines MRTs beginnen die Ärzte im Ludmillenstift eine Lysetherapie. Währendessen kann das Gerinnsel mit Hilfe des Katheters erfolgreich entfernt werden. Bereits am Folgetag wird der Erfolg der Behandlung sichtbar und schon am zweiten Tag kann Petra wieder laufen. Das Sprechen ist noch etwas undeutlich, die rechte Hand noch ungeschickt, aber nach einer anschließenden Rehabehandlung wird sie wieder arbeiten können. 

„Nicht immer aber sehr häufig sehen wir solch positive Verläufe. Noch vor 25 Jahren wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen. Petra wäre mit einer Halbseitenlähmung und Sprachstörung pflegebedürftig geblieben. Das muss nicht so sein. Wir können viel tun, um Krankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes als Risikofaktoren vorzubeugen oder diese optimal zu behandeln. Mit regelmäßiger körperlicher Aktivität und gesunder Lebensweise haben wir es teilweise selbst in der Hand. Und es ist wichtig, die Symptome ernst zu nehmen und vor allem schnell zu handeln“, erklärt PD Dr. Andreas Wellmer.

INFOBOX:

Im Ludmillenstift in Meppen wurde die Stroke Unit im Jahr 2000 mit vorerst zwei Behandlungsplätzen etabliert. 2010 wurde die Stroke Unit dann ausgebaut auf sechs Betten und nach Abschluss der jüngsten Bauarbeiten am Bettenhaus H, hat die Stroke Unit 2019 ganz neue Räume bezogen. Hier können nun bis zu 8 Schlaganfall-Patienten behandelt und betreut werden. Geplant ist ein Ausbau auf bis zu 15 Betten. Die Stroke Unit des Krankenhauses Ludmillenstift bietet das gesamte Spektrum der Schlaganfallbehandlung an. 

 

MRT-Aufnahmen beim akuten Hirninfarkt: Das helle Areal auf dem rechten Bild zeigt bereits geschädigtes Hirngewebe (Pfeile). Das rote Areal auf dem linken Bild zeigt das Gewebe, was zugrunde gehen wird, wenn das verschlossene Gefäß nicht schnell genug wiedereröffnet wird.

 

 

Angiographieaufnahmen vor Thrombektomie (rechts) und nach Thrombektomie (links). Die mittlere zunächst verschlossene Hirnarterie (roter Pfeil) ist nach der erfolgreichen Wiedereröffnung wieder durchblutet. Auf dem rechten Bild erkennt man noch den Katheter, der von der Leiste nach oben geschoben wurde.

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